Salmünster, Ev. Versöhnungskirche (2021/22)

 

Fotosimulation
Fotosimulation

Neugestaltung des Altarraums 

 

Entwurf: Atelier Michael Lönne + Jörn Neumann, 2021

 

 

Skizzierte Gestaltungsidee und Raumbezug

 

Die bestehenden Prinzipalstücke Altartisch und Kanzel im Altarraum der 1888 im neugotischen Stil erbauten Versöhnungskirche wurden im Laufe der Jahre teilweise durch ganz willkürliche Elemente ergänzt. Dies führt zu einem verunklarten Zentrum des Kirchenraums. Ziel der Neugestaltung ist es, eine einheitliche, zeitgemäße Ausstattung zu schaffen, die Klarheit und Orientierung vermitteln soll.

 

Für die Neugestaltung der Prinzipalstücke steht ihre funktionelle Anforderung und die Bezugnahme zum Raum im Vordergrund. Die Feier um den Altartisch soll weiterhin möglich sein. Eine neue Mensa bringt den im Zentrum verbleibenden Altartisch mit dem neuen Lesepult und den weiteren Prinzipalstücken in Verbindung. Die konsequent einheitliche Gestaltung steht für ein Zusammenspiel von Raum und Liturgie. Der Vorschlag von Herrn Pfarrer Henning, den alten Taufstein evtl. in den Eingangsbereich zu versetzen und umzufunktionieren, wird aufgegriffen; die Ausarbeitung ist im Entwurf aber noch nicht berücksichtigt. 

Alle Objekte haben ihren definierten Ort auf der zweistufigen Handlungsebene; sie sind aber auch je nach Erfordernissen beweglich einsetzbar. Das Hauptmaterial Eichenholz (Silbergrau) wird durch kontrastierende Materialien (Metall und Glas) in einem Wechselspiel aus matter und glänzender Oberfläche akzentuiert. Das Silbergrau des Holzes klingt mit dem Weiß der Wände ebenso schön zusammen wie mit den unterschiedlichen Rottönen des Sandsteins und den Pfeilern, Bögen und Rippen.


Das Grau setzt die Farbigkeit der Lettern über den Arkaden (Seligpreisungen) auf eine andere Art fort, während partiell verwendetes Messing den Goldton der hervorgehobenen Anfangsbuchstaben und der Interpunktionszeichen aufgreift. Differenziert positionierte Einzelkomponenten der geöffneten Korpusse und teils gefaste Kanten zitieren subtil Merkmale des Altartisches und der Architektur, ohne historisierend zu wirken. 

Lesepult

 

Altar und neues Lesepult sind in einer diagonalen Achse ausgerichtet. Das Lesepult öffnet sich wie ein aufgeschlagenes Buch zur Gemeinde hin. Zwei symmetrische vordere Stelen erinnern vielleicht an das Alte und das Neue Testament, an zwei aufeinander bezogene Pole, an Gegenstand und Geist. Es besteht aus einem Sockelbereich und einem länglichen, geöffneten Korpus; darüber befindet sich ein flacher offener Korpus, in dem eine gestaltete Glasplatte eingelegt und mittels Fixierung über eine Durchgangsbohrung verbunden ist. Den Abschluss bildet ein Kopfteil mit flexibler Ablagefläche. Die Trennungen sind als Schattenfuge ausgebildet. Sie verlaufen auf einer Höhe durch alle Prinzipalstücke.

 

Über Nut und Feder an seitlich angebrachten Anschlagleisten und der Ablagefläche aus Messing kann das Pult auf zwei unterschiedliche Lesehöhen (104 und 114 cm) gebracht werden. Bei der niedrigen Einstellung wird die Ablagefläche durch eine schmale Aussparung an der Frontseite geschoben und dann auf die Anschlagleisten abgelegt und stabil gehalten. Eine Podest-Lösung, die unnötig viel Raum verstellen würde, kann somit entfallen. Die Kopfteile von Lesepult und Taufgestell mit vorhandener Taufschale werden jeweils von vier unterschiedlich angeordneten Tafeln getragen, die je nach Standort der Betrachter*innen immer neue Ansichten der Objekte entstehen lassen.

 


Altarkreuz

 

In Erinnerung an das ehemalige lateinische Altar-Kruzifix thront das neue griechische Altarkreuz auf einem langgezogenen Quader. Dieser ist zu vier Seiten hin geöffnet. Halt bietet eine Standfläche aus patiniertem Metall mit Gleitern zum Schonen der Mensaoberfläche. Das Kreuz ist aus vier längs und quer gesetzten Messingstäben aufgebaut. An vier Stellen durchdringen sie das umlaufende gefaltete Metallband und die mit Lochbohrungen versehenen adhäsiv zusammengefügten Glasquader. Der mittlere Glasquader bleibt unberührt. Glas und Messing fungieren hier als verbindende Elemente zu den Prinzipalstücken. Anstelle von Holz wird als drittes Material ein patiniertes Metall verwendet. Es sorgt für einen guten Kontrast vor der hellen Altarrückwand.

 

Das Altarkreuz soll als neues Gefüge in erster Linie Symbol des Lebens, soll Lichtzeichen sein. Diagonal über die Glasebene, in der sich das Licht vor allem an den Kanten der Glasquader bricht, erstreckt sich eine malerische Struktur. Sie beruht auf einem Bibelvers (Johannes 8,12). Der Text ist nicht mehr lesbar. Durch das optisch leichte, aus dem dunklen umlaufenden Metallband kragende Glas soll die Spannung zwischen Tod und Auferstehung symbolisch erahnt werden können.

Ausführung Altarkreuz »Glas« (Atelier Lönne + Neumann, April 2021)

 


Altarleuchter

 

Die zwei Altarleuchter aus silbergrauem Eichenholz sind wie flache U-förmige quadratische Schalen geformt. Dieser Sockel trägt eine Glasscheibe als Tropfenfänger, von dem sich das Wachs gut entfernen lässt. Das Glas wird durchdrungen von einem Messingstift, der Sockel und Teller mit Dorn aus Messing für die Kerzen verbindet. Unter den Altarleuchtern entsteht eine Schattenfuge. Das verwendete Material schont auch die Oberfläche der Mensa. 

Neue Mensa für bestehenden Altar

 

Das neue Aufsatzelement mit Mensa erhöht den verhältnismäßig niedrigen Altar von 90 cm auf die allgemein gebräuchliche Höhe von 100 cm. Eine Zwischenlage (z. B. Filz) verhindert direktes Berühren von Holz und Steinoberfläche des bestehenden Altartisches. Gleichzeitig bildet sie eine umlaufende Schattenfuge aus. Die große eingeschobene Glasplatte gewinnt hier in zweierlei Hinsicht an Gewicht: Sinnhafte Bedeutungsebene und nötige Schwere, um einer ungewollten Bewegung der Mensa entgegenzuwirken. Fünf schlanke Messingstifte bringen im Zentrum das Zeichen des Kreuzes hervor, welches sich auf der Mensa in Form von kleinen Messingkreisen abzeichnet. Die Stifte werden von unten durch das Holz und die Lochbohrungen der Glasplatte mit Schutzhülsen geführt und mit der oberen Holzebene verbunden. Ferner stützen sie die Mensa – ein Durchhängen wird somit unterbunden. 

 

Osterleuchter

 

Der Osterleuchter nimmt die quadratische Grundform der Altarleuchter auf. Der Aufbau aus Sockel, langgestrecktem Quader und geöffnetem Kubus orientiert sich dabei an den anderen Prinzipalstücken. Silbergraues Eichenholz, Glas und Messing bestimmen auch hier die Materialität. 


Licht der Welt

 

Alle Prinzipalstücke erhalten je eine Ebene aus gestaltetem Verbundsicherheitsglas (VSG). Das Glas tritt in einen Dialog mit dem Chorfenster von Erhardt Jakobus Klonk. Je nach Lichtbrechung und dem Standort der Betrachter*innen werden durch den Eisenoxidanteil im Glas differenzierte Grün-Nuancen an den Kanten sichtbar. Das Grün ist angelehnt, bzw. erinnert an das reduzierte Grün im Chorfenster, laut Klonk dort eingesetzt, »wo Wachstum und Freude, wo Hoffnung gemeint ist.«(1) Klonk interpretiert in seinem Fenster Psalm 96.(2) In Vers 13b heißt es: Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit. Es ist die Hoffnung, dass »denen, die Unrecht gelitten haben, Gerechtigkeit widerfährt«.(3)

 

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. (Mt 5,6) Das lesen wir an zentraler Stelle unter dem Chorfenster. Jesus spricht den Gläubigen Rückhalt und Mut zu. In Johannes 8,12 sagt Jesus: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Jesus sagt aber auch: Ihr seid das Licht der Welt. (Matthäus 5,14a) Als Licht der Welt vermögen die Zuhörenden auf dem Hügel am Ufer des Sees Genezareth das für die Menschen sein, was er in den Seligpreisungen beschreibt. Beide Verse bilden gleichsam die Metaebene für das Altarkreuz (Joh 8,12) und die weiteren Ausstattungsstücke (Mt 5,14a).

Ausführung Verbundsicherheitsglas (Peters Studios, Paderborn, Mai 2021)

 


Die Texte wurden zunächst handgeschrieben und dann ins Digitale überführt, die einzelnen Buchstaben dabei konzentrisch(4) im Kreis geschrieben. Anschließend wurden die Zeichen mittels Schriftbildgenerator zu einer ornamentalen Rosette verdichtet. Sie verkörpern die Eröffnung eines neuen Raums. Entsprechend ihres Aufstellungsortes sind den Gläsern der individuellen Objekte Segmente aus dieser Buchstabenkomposition zugeordnet. Imaginäre, kreisförmig verlaufende »Lichtbänder« lassen im Raum der Gemeinde eine symbolische Verklammerung der Prinzipalien entstehen. Die Kreissegmente verweisen dabei auf eine vormals zusammenhängende Form. Da die Objekte bis auf den Altar nicht an ihren Standort gebunden sind, können in der gedanklichen Vorstellung der Betrachter*innen immer wieder neue, sich endlos durchdringende oder überschneidende Kreisfiguren entstehen, wie das z. B. bei einer Vielzahl von Wasserringen der Fall wäre. Wasser ist vor allem Symbol des neuen, von Gott geschenkten Lebens und der Fülle der Gnade. Die bewegte Struktur versinnbildlicht Lebendigkeit, ja das Leben selbst. Aus der Taufe leben drückt aus, sich stark zu machen für ein menschliches Miteinander, wie Jesus es den Gläubigen in den Seligpreisungen vor Augen führt. 

 

Anmerkungen

(1) Vgl. Dr. Götz J. Pfeiffer: »dass sie lange betrachtet werden«, in: Gemeindebrief 8/9.1988, S. 9

(2) Ebd., S. 8

(3) Vgl. https://jochenarnold.de/wp-content/uploads/2015/02/Predigt-Muehlhausen.pdf, Seite 5 [28.01.2021]

(4) Aus lateinisch con, »mit« und centrum, »Mittelpunkt«; also »mit einem (einzigen) Mittelpunkt«

Taufort

 

Wie bei den weiteren Prinzipalstücken auch, wird eine einheitliche Formensprache mit individuellen Details verknüpft. Sowohl die Stelen oberhalb des Sockels als auch die Strukturen der Glasebene sind hier im Vergleich zum Lesepult differenziert angeordnet und gestaltet. Für die vorhandene Taufschale ist im Kopfteil des neuen Taufortes eine Aussparung vorgesehen. Im Sockelbereich, der zu einer Seite hin offen ist, verbirgt sich ein kleines Podest, das bei Bedarf herausgezogen werden kann. 


Salmünster, Versöhnungskirche - Liturgische Farben im Kirchenraum (Stand 13.11.2021)

 

 

Die historische Kanzel soll aus nachvollziehbaren Gründen in ihrer jetzigen Form als eigenständiges Element erhalten bleiben. Eine Anbringung von Stoffbehängen ist nicht geplant. Antependien bzw. liturgische Farben direkt an den neuen Prinzipalstücken sind aus konzeptionellen Gründen nicht vorgesehen. Der aktuelle Entwurf stellt daher einen Beitrag zur Loslösung von traditioneller Paramentik im Sinne einer Neuorientierung dar.

 

Es wird vorgeschlagen, die liturgischen Farben als gläserne Stelen, wechselnd im Laufe des Kirchenjahres, in einem mobilen Sockel im Altarraum zu verorten. Die Bodenplatte des Sockels, ursprünglich für die Standsicherheit konzipiert, soll auf Wunsch des Gremiums »Ausschuss Kirche & Kunst« zugunsten einer visuellen harmonischen Leichtigkeit entfallen. Zum Ausgleich wird der Sockelinnenraum mit soviel zusätzlichem Gewicht bestückt, dass einer Instabilität möglichst entgegengewirkt und ein Kippeln minimiert wird, der Sockel aber dennoch beweglich bleibt. Das Objekt wurde konzipiert, um bei Bedarf den Ort zu wechseln. Durch die verschiedenen Standortmöglichkeiten wird das Zusammenspiel von liturgischer Farbgebung und vorhandener Fassung des Innenraums individuell berücksichtigt und eine Unstimmigkeit mit vorhandener Farbigkeit ausgeschlossen. Damit soll vermieden werden, das z. B. die liturgische Farbe Rot vor der rötlichen Wandfassung im Bereich der Kanzel »geschluckt« wird.

 

Ein wesentliches Merkmal für die Wirkung von liturgischer Farbigkeit in der Versöhnungskirche ist das Zurückgreifen auf die Gestalt der Ausstattungsstücke und den kulturell-künstlerischen Charakter des Kirchenraumes. Auch die Abmessungen der Gläser und des Sockels orientieren sich an Vorhandenem. Eichenholz und gestaltetes Glas prägen die Prinzipalstücke und sind auch die Materialien der liturgischen Stelen. Darüber hinaus nehmen die vom Glas des Altars hergeleiteten, charakteristischen Strukturen der Stelengläser in Proportion und Linienführung direkten Bezug auf die neuen Prinzipalstücke (siehe Skizzen). Durch das Aufgreifen der Strukturen wird der Zusammenhang mit den Prinzipalstücken besonders deutlich gemacht sowie die Altarraumgestaltung insgesamt symbolisch und visuell abgerundet. 

   

Die Kanten der Verbundsicherheitsgläser werden umlaufend geschliffen und poliert, Oberflächen partiell satiniert. Matte Bereiche stehen dabei in einem schönen Kontrast zur glatten Oberfläche des Glases, analog zu den Gläsern der Prinzipalstücke. Der Unterschied im Aufbau besteht in der Wahl von extra weißem Floatglas, um die Farbigkeit hier nicht mit einem Grünstich zu beeinflussen. Neben dem Sicherheitsaspekt schützt der Verbund die innenliegenden transluzenten Farben. Durch die Materialstärke des Glases (ca. 10 mm VSG aus 2 x 5 mm Float Extraweiß) entsteht ein Wechselspiel aus verschieden gestalteten Vorder- und Rückseiten und der jeweiligen Farbigkeit im Zwischenraum. Blickwinkel der Betrachter*innen, Standort und Raumlicht beeinflussen dabei die Wirkung der Objekte. 

 

Der Entwurf umfasst erst nur die vier gebräuchlichen Farben Grün, Weiß, Violett und Rot. Sie symbolisieren den Verlauf des Kirchenjahres (vgl. Entwurf Kanzelaufsatz und Antependien, 06/2021). Die Gläser werden über die Öffnung im oberen Sockeldeckel eingestellt. Sie können ganz einfach ausgewechselt und gereinigt werden. Auf Wunsch bieten wir gerne zusätzlich eine Stele mit der liturgischen Farbe Schwarz und eine Aufbewahrungsbox an.

 


Herleitung der Struktur

 

Hintergrund: Grafik der Oberflächengravur auf dem Glas des Altaraufsatzes. Das Aufgreifen der Struktur ist ein wesentliches Merkmal des Entwurfes, um den Zusammenhang mit den Prinzipalstücken besonders zu verdeutlichen.

 


Beschreibung der beidseitigen Glasbearbeitung

 

 

Vorderansicht, Seitenansicht, Rückansicht und Beschreibung. Die Abbildung der Hintergrundstruktur soll den Aufbau der Strukturebenen verständlich machen.

 


 

Aufbau der Stelen


Seiten- und Vorderansicht

 


 

Vorschlag für verschiedene Standorte der mobilen liturgischen Glasstelen mit Sockel

 

Synopse der Standortmöglichkeiten (Skizze)

 

Standort links. Natürlich wird immer nur eine liturgische Farbe präsentiert. Die Simulation zeigt die Wirkung der liturgischen Farbe Grün vor weißer Wandfassung und der liturgischen Farbe Weiß vor kontrastierender rötlicher Wandfassung (Simulation).

Standort auf der Stufe vor dem Lesepult als heller Hintergrund. Die Simulation soll die Wirkung der liturgischen Farben Rot und Violett in einem Bild veranschaulichen (natürlich wird immer nur eine liturgische Farbe präsentiert).

Standort Altar am Beispiel der liturgischen Farbe Weiß (Simulation).

Standort Taufe am Beispiel der liturgischen Farbe Grün (Simulation).

Standort rechts, nahe der Kanzel am Beispiel der liturgischen Farbe Weiß vor kontrastierender rötlicher Wandfassung (Simulation).

Simulation

Simulation



 

Größenvergleich und Ansichten